Andacht zum Lesen
von Pfarrer Andreas Nose
Wenn wir uns schon nicht physisch begegnen können, so können wir doch gemeinsam singen, summen, nachdenken und beten. Diese Andacht möchte dabei Hilfe sein.
Sie finden hier
- eine Info zum Namen des Sonntags
- den Psalm zum Sonntag (Psalm 23 „Der Herr ist mein Hirte“)
- in der Übersetzung MARTIN LUTHERS,
- in zwei modernen Übertragungen,
- in Musik – aus Klassik und Hip Hop, aus der Quarantäne und
- in Gebärdensprache,
- den Auszug aus einer Predigt zum Sonntag und
- ein Gebet
1. Eine Info zum Namen des Sonntags
Der lateinische Name des Sonntags geht auf den Eingangsvers der römischen Messe zurück: „Die Erde ist voll der Güte des Herrn (misericordias domini). Der Himmel ist durch das Wort des Herrn gemacht.“ (Psalm 33, 5b.6a)
2. Der Psalm zum Sonntag
Am Sonntag „Miserikordias Domini“ wird im evangelischen Gottesdienst Psalm 23 gebetet:
Der Herr ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße um seines Names willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch
im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl
und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.
(MARTIN LUTHER)
Gott sorgt für mich
Niemals bin ich verlassen.
Gott befreit mich von der Lebensangst
Und erlaubt mir ein Dasein ohne Hast,
stärkt meine Seele und zeigt mir den guten Weg.
Gott will für mich Gott sein.
Auch in dunklen Zeiten habe ich keine Angst vor dem Letzten,
denn du bist bei mir,
deine Gegenwart und Geleit geben mir einen Schutz.
Du läßt mich teilhaben an der Fülle des Lebens,
obwohl es Gründe gibt, verzweifelt zu sein.
Du empfängst mich zärtlich
Und nimmst mich überschwenglich auf.
Ich lebe im Vorschein von Güte und Erbarmen
Und wohne im Vertrauen zu dir.
(ANETTE ARMBRÜSTER, WOLFGANG ARMBRÜSTER)
Der HERR gibt mir
für meine Arbeit das Tempo an.
Ich brauche nicht zu hetzen.
ER gibt mir immer wieder
einen Augenblick der Stille,
eine Atempause,
in der ich zu mir komme.
ER stellt mir Bilder vor die Seele,
die mich sammeln
und mir Gelassenheit geben.
Oft läßt ER mir mühelos etwas gelingen,
und es überrascht mich selbst,
wie zuversichtlich ich sein kann.
Ich merke:
Wenn man sich diesem HERRN vertraut,
bleibt das Herz ruhig.
ER ist in jeder Stunde da,
und in allen Dingen,
und so verliert alles andere
sein bedrohliches Gesicht.
Oft – mitten im Gedränge,
gibt ER mir ein Erlebnis,
das mir Mut macht.
Das ist, als ob mir einer
eine Erfrischung reichte,
und dann ist der Friede da
und eine tiefe Geborgenheit.
Ich spüre,
wie meine Kraft dabei wächst,
wie ausgeglichen ich werde
und mir mein Tagewerk gelingt.
Darüber hinaus
ist es einfach schön, zu wissen,
daß ich meinem HERRN auf der Spur
und daß ich, jetzt und immer,
bei IHM zu Hause bin.
AMEN
(TOKI MIYASCHINA)
3. Hier finden Sie / findet Ihr sehr verschiedene Vertonungen von Psalm 23
Klassisch (Bach)
J.S. Bach, Kantate BWV 104: Nr. 6 Choral „Der Herr ist mein getreuer Hirt“ Kay Johannsen
Klassisch (Schubert)
Hans Zender, „Der 23. Psalm“ aus „Schubert-Chöre“ für Solo-Tenor, Chor und Orchester / Liederhalle Stuttgart, Dezember 2016
Klassisch (Schütz)
Kreuzchor, Dresden Staatskapelle, Heinrich Schütz, Psalmen Davids, Der Herr ist mein Hirt, op 2 SWV 33 „Psalm 23“
Klassisch (Dvorák)
Antonín Dvorák, Biblische Lieder op 99 Nr. 4 „Der Herr ist mein Hirte“
Maria-Theresia Petersen (Orgel) und Nora Weinand (Sopran) in der Kirche St. Ignaz, Mainz
https://www.youtube.com/watch?v=_BlojUjGsyg
Klassik (Bernstein)
Leonard Bernstein, Chichester Psams: 2nd movement
Bow Valley Chorus unter Leitung von John Goulart, Karen J Minish (Sopran)
Englisch und in fettem Sacro Pop – Boxen aufdrehen und laut mitsingen!
People and Songs ft. Josh Sherman
Deutsch, noch etwas softer und mit ganz viel Gefühl – aus der Kölner Lanxess-Arena
Lothar und Margarete Kosse, Wunderbarer Hirt
Yes yo was geht ab? / Hip – Hop – Version
Wayne Hunnit, SHO, InFluence
Trance / Techno – Version auf deutsch, eher „gruftig“ und für Freund*innen der schwarzen Kutten, Ketten und Piercings
Wer erkennt die Stimme (Kinogeher und TV-Gucker sind klar im Vorteil)?
E nomine
Quarantäne-Version
Folk-Pop auf hebräisch in privaten Wohnungen eingespielt
Miqedem
Mit Zeichensprache gesungen – für Menschen ohne Gehör!
4. Auszug aus einer Predigt zum Sonntag Miserikordias
Predigttext: 1. Petrus 5, 1-4
Die Ältesten unter euch ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden Christi, der ich auch teilhabe an der Herrlichkeit, die offenbart werden soll:
Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder der Herde.
So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unvergängliche Krone der Herrlichkeit empfangen. Desgleichen ihr Jüngeren, ordnet euch den Älteren unter. Alle aber miteinander haltet fest an der Demut, denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.
…
Führen und leiten, geführt werden, sich leiten lassen. Beides gehört zusammen. Beide Seiten sind uns vertraut. Sie gehören zu unserem Alltag – und das nicht erst, wenn wir erwachsene Arbeitnehmerinnen sind. Auch Jugendliche kommen in Situationen, in denen sie die Verantwortung für ein Zusammenspiel übernehmen müssen – vielleicht in einer Sportmannschaft, vielleicht in einer Arbeitsgruppe in der Schule, vielleicht in der Familie oder als Babysitter oder anderen Zusammenhängen.
Das ist schon mal das Erste, was man festhalten kann: Wir erleben – Gott sei Dank -, dass Menschen uns leiten, dass wir Menschen leiten. So schön und ideal die Vorstellungen von einem führungslosen und autoritätsfreien Raum vielleicht auch klingen, so unrealistisch sind sie doch!
Ein Trainer, der seiner Mannschaft niemals eine Strategie mit auf den Platz gibt und der einfach darauf hofft, dass sich die Spielzüge schon irgendwie entwickeln, der hat offensichtlich seinen Job verfehlt. Ein Dirigent, der davon ausgeht, dass seine Musiker sich schon irgendwie auf eine gemeinsame Tonart und einen gemeinsamen Beginn einigen werden, wird mit schrägen Tönen und Disharmonien rechnen müssen. Eine Richterin, die sich mit einem „Das ist mir auch alles zu kompliziert und schwierig“ davor drückt, ein Urteil zu fällen, wird zur Gerechtigkeit wenig beitragen. Und eine Mutter, die alle Entscheidungen von ihren kleinen Kindern selbst fällen lässt, wird diese maßlos überfordern.
Führen und leiten, geführt werden, sich leiten lassen. Nicht weil die einen so gern herrschen und den anderen mal so richtig sagen wollen, wo es lang geht, sondern damit die gemeinsamen Aufgaben gut und für alle zufriedenstellend gelöst werden. Nicht weil die anderen keine Eigenverantwortung wollen und sich lieber alles sagen lassen, sondern damit im gemeinsamen Handeln alle miteinander Ziele erreichen und das Zusammenleben gestalten.
…
Umso beeindruckender, dass in unserem Predigttext für alle Seiten (!) klare Kriterien genannt werden, wie die Leitung aussehen soll. Keine dummen Schafe, die sich für nichts interessieren; keine Schafe, die für dumm verkauft werden können. Wer es mit Leitung zu tun hat, sollte auf drei Dinge schauen:
Erstens: auf die Freiwilligkeit der Leitung; zweitens: auf die Bereitwilligkeit und Leidenschaft, mit der sie wahrgenommen wird; und drittens: darauf, dass es um die Gemeinschaft geht und nicht um die Macht. Freiwillig, bereitwillig und leidenschaftlich, und um der gemeinschaftlichen Aufgaben willen, als Vorbild, nicht als Herrscher sollte das Leitungspersonal unterwegs sein. Und in Ergänzung dazu legt der Text nahe, sich leiten zu lassen – und rät allen miteinander, egal in welcher Position, demütig unterwegs zu sein.
Ich verstehe das als die Empfehlung, mit einer gewissen Großzügigkeit auf die anderen zu schauen: wenn sie in ihrem Leitungsverhalten Fehler machen, nicht gleich das Schlimmste zu befürchten, sondern ihnen zuzugestehen, dass sie Lernende sind und sich vielleicht auch einmal korrigieren müssen. Wenn etwas schief geht, nicht gleich das Vertrauen zu entziehen, sondern nach Lösungen zu suchen; im Wissen darum, dass auch die Schafe Fehler machen und nicht ohne Fehl und Tadel sind.
Wie auch umgekehrt die Leitenden nicht voller Hochmut und mit einer gewissen Verächtlichkeit auf die ihnen anvertrauten Menschen schauen, so nach dem Motto: „Wie gut, dass die mich haben, sonst kämen sie gar nicht zurecht!“, sondern mit dem Wissen um die eigenen Grenzen und die eigene Gefährdung durch die Macht.
…
Der Hirte Jesus geht davon aus, dass die gute Weide Gott gehört und damit allen Menschen offen steht. Dafür nimmt er das Hirtenamt an, dass alle zum frischen Wasser kommen und gute Weide finden. Er leitet nicht in selbstherrlichem Größenwahn, sondern aus dem Vertrauen zu Gott. Er selbst lässt sich leiten. Immer wieder zieht er sich zurück und fragt betend nach dem, was Gottes Wille ist. So findet er Wege zum Leben.
Hirte und Schafe dürfen ihm folgen, seinem Beispiel, seiner Leitung. Bei ihm können sie die Freiheit entdecken, sich anzuvertrauen – und die Freiheit, Verantwortung zu übernehmen. Bei ihm können sie das Glück entdecken, ein Schaf zu sein – weil ein guter Hirte Sorge trägt. Dieser Hirte kennt Weg, Wahrheit und Leben.
5. Gebet
Mein Gott, mein guter Hirte,
ich komme zu dir und erinnere mich:
Dir erzähle ich von den Sorgen der vergangenen Woche.
Dier erzähle ich von der Freude in der vergangenen Woche.
In der Stille
Stille
Durch Täler und Höhen – du gehst mit mir.
Bleibe bei mir, Gott.
Heute, morgen, immer.
Amen.
von Pfarrer Andreas Nose
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