Pfarrerin PD Dr. Rinn im Interview bei Deutschlandradio – Thema: Bestattung von Tieren auf Friedhöfen
Umstrittene Tierfriedhöfe-Ruhestätte für Mausi, Felix und Lola
- Für viele ist das Haustier wie die Familie (dpa / picture alliance / Britta Pedersen)
Seine Haustiere begleiten einen Menschen oft viele Jahre lang. Manchen fällt der Abschied besonders schwer – wenn das Tier stirbt. Sie beerdigen ihre treuen Begleiter auf einem Tierfriedhof. Theologisch finden das einige Menschen allerdings fragwürdig.
„Hochwertiger Stein. Schwarz, goldene Schrift. 2012. Welche Tiere waren da noch drin. Katzen. Für ’ne Katze – hochwertig, ne?“
Norderstedt. Herr Meyer, Mitarbeiter des „Tierfriedhofs Nord“ – 15.000 Quadratmeter, 600 Tiergräber. Neben ihm der Besitzer der Anlage, Jürgen Becker.
„Wir beerdigen, bestatten hier eigentlich vom Wellensittich bis zum Hund alles an Kleintieren.“
Meyer: „Ist eine hochwertige Einfassung, würde ich sagen. Pflegeleicht gemacht, damit die Herrschaften kein schlechtes Gewissen haben müssen, wenn sie eine Zeit mal nicht kommen können.“
„Für mich als Pfarrerin wäre jetzt die Herausforderung, so ein Tier zu bestatten, und da würde ich mir sagen, das ist eine Grenze.“
Angela Rinn, Pfarrerin in Mainz. Nicht nur geografisch vom „Tierfriedhof Nord“ hunderte Kilometer entfernt.
„Woher nehme ich mir eigentlich das Recht, zwischen den Tieren zu differenzieren, dann würde ich den Cockerspaniel von Winston Churchill beerdigen, aber was ist mit der Ratte, die vor meinem Haus überfahren worden ist? Ich meine das ist im Zweifelsfall genauso ein Geschöpf.“
Jürgen Becker: „Was erwidern wir? Ganz einfach, es gibt auch Pastoren, die ihr Tier hier beerdigt haben. Ich bin jetzt nicht der große Christ, dass ich mich so auskenne. Soweit ich weiß, sind vor Gott alle gleich. Auch die Tiere gehören als Lebewesen dazu. Wenn man das nicht akzeptieren kann, gut.“
An eine Begegnung mit einer Hundebesitzerin erinnert sich Angela Rinn bis heute.
„Eigentlich haben wir im Gottesdienst keine Tiere dabei in der Kirche. Aber sie hatte sie schon mitgenommen und ich wollte jetzt nicht die Trauerfeier nicht dadurch sprengen, dass ich sage, bitte jetzt die Hunde nach draußen. Und wir sind dann mit den Möpsen hinter dem Sarg her zum Grab. Und ich war froh, dass sie sich nicht hinterher erleichtert haben auf dem Weg, sag ich mal die Möpse, und dann sagte sie mir zum Abschied: Hunde sind doch die besseren Menschen.“
Jürgen Becker: „Es gibt ja dieses Gedicht, ‚Der Hund ist Dir im Sturme treu / Der Mensch nicht mal im Winde‘. Ob es der bessere Mensch ist, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass ich mich auf meine Hunde immer verlassen konnte. In jeder Situation. Die Menschen, die ihre Tiere hier beerdigen, haben eine Verbindung zu dem Tier gehabt. Es war nicht einfach nur ein Tier, es war ein Begleiter über einen gewissen Lebensabschnitt und da möchte man natürlich nicht, dass es irgendwo verarbeitet wird nach dem Tode, man hat da wie gesagt ein inniges Verhältnis. Und ich glaube manchmal mehr als Menschen untereinander.“
Die Deutschen geben mehr Geld aus für Hundefutter als für Babynahrung
Deutsche Haustiere sind nicht bloß Hunde und Katzen. Es gibt auch Frettchen, Schweine, Ameisen und Schmetterlinge. Angehörige und Freunde wohnen oft an verschiedenen Orten – Haustiere rücken näher. Die Deutschen geben mehr Geld aus für Hundefutter als für Babynahrung. Tiere geben Nähe, während Skype und Whatsapp die Entfernung zu geliebten Menschen überbrücken – bis jemand stirbt. Das ändert alles.
Angela Rinn: „Wir brauchen einen Raum. Wir sind leibliche Menschen. Wir haben einen Leib. Also wir gehören in diesen Leib Christi und wir brauchen deswegen auch Räume, und das ist jetzt nicht der Himmel, in den wir beigesetzt werden, es ist eine Erde, aber es ist eine symbolische Darstellung davon, dass wir wieder vergehen, aber eingegliedert werden in diesen Leib Christi. Und dass wir eben nicht raumlos, ortlos existieren, sondern dass wir einen konkreten Raum brauchen im Leben und im Tod. Insofern hat für mich das namentlich gekennzeichnete Grab, das auf einen Menschen, der einen Ort hatte, hinweist, auch was mit Menschenwürde zu tun.“
Meyer: „Das ist Mausi, Felix und Lola. Das werden drei Katzen gewesen sein. Das machen die Kunden selber. Das ist schön mit Marmorkiesel ausgelegt, Grabgesteck, ein kleiner Baum, ne.“
Friedhofsbesucher: „Ja gut, ein Mensch ist ja doch noch ein bisschen was Anderes, aber das ist mir sehr nahegegangen, muss ich Ihnen ehrlich sagen.“
Ein Friedhofsbesucher mit weißem Haar.
Mit dem reinen Verscharren ist es nicht getan
„Und das ist das Grab hier vom Hund. Jule. Im Dezember ist sie drei Jahre tot. Und ich gehe die Woche drei Mal – ich brauche das einfach. Das ist jetzt abgedeckt mit Tanne und dann ist ein Gesteck da drunter, mit Tannenzapfen, und die Laterne brennt seit drei Jahren ununterbrochen. Ja also, das ist nicht mehr Trauer als wie beim Menschen, so ist das nicht, aber sie hat uns sehr viel gegeben, und irgendwo habe ich auch gesagt: Wollen wir ihr das nicht zurückgeben, dass ich mal zum Grab hinkomme.“
Angela Rinn: „Das könnte eben, dass die Leute was spüren, dass da doch etwas was mehr ist, dass es mit dem reinen Verscharren nicht getan ist und dass ich das halt problematisch finde, wenn sie das in Bezug auf ihre Tiere wahrnehmen, nicht aber in Bezug auf andere Mitmenschen.“
Friedhofsbesucher: „Wenn ich dahingehen, ich komme auch wieder so ein bisschen runter, wenn ich nicht so gut drauf bin, im Sommer setze ich mich hin mit einem Stuhl, und dann sitze ich da eine halbe Stunde und unterhalte mich mit ihr. Und das tut mir an sich gut, muss ich sagen.“
Angela Rinn: „Da sage ich, da gibt es eine Problemanzeige, wenn zum Beispiel eine hohe Anzahl von anonymen Bestattungen stattfindet an einem Ort, da denke ich immer, wie gehen wir als Menschen miteinander um, achten wir am Ende mehr auf die Tiere als auf uns selbst, das fände ich schwierig.“
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